Abraham Lincoln 
        
Wenn die
        Sklaverei kein Unrecht ist,
gibt
        es überhaupt kein Unrecht.
Abraham
        Lincoln
        Abraham
        Lincoln war von 1861 bis 1865 der 16. Präsident der USA. Es
        war sein Schicksal, in der Zeit der höchsten Not an der
        Spitze der Nation zu stehen, in der Zeit eines grausamen
        Bürgerkrieges, welcher letztlich das Ende der
        menschenunwürdigen Sklaverei brachte. Doch Lincoln konnte
        sein großes Werk, die Verwirklichung der Demokratie als
        einer Regierung „des Volkes durch das Volk und für
        das Volk “ nicht mehr zu Ende führen, weil er durch
        die Mörderhand eines Fanatikers sterben
        musste. 
        Bescheidene
        Anfänge
        Abraham Lincoln war ein außergewöhnlicher Mensch. Am 12.
        Februar 1809 in Hodgenville, Kentucky in einer armseligen
        Blockhütte geboren, schaffte er den Weg von ganz unten an
        die Spitze der Nation, damit er sein großes Werk
        vollbringen konnte. Seine Familie lebte in bitterster
        Armut. Die Mutter starb, als der Junge erst sieben Jahre
        alt war. Die sparsame, praktische  und energische
        Stiefmutter nahm danach die Kinder von Lincolns Vater in
        ihre Obhut. Schwere Arbeit bestimmte das Los den jungen
        Lincoln, denn er musste zum Unterhalt der Familie
        beitragen. Nachdem der Vater in die fieberverseuchten
        Urwälder Indianas ausgewandert war, musste er auf dessen
        neuer Farm mitarbeiten und auch auf anderen Farmen Zubrot
        verdienen. Noch sehr jung an Jahren erhielt Abraham im
        Laden an der Wegkreuzung Arbeit. Dort unterhielt er sich
        gerne auf lebhafte Weise mit den Kunden. Mit seinem
        Mutterwitz erlangte er bald bei der Bevölkerung den Ruf,
        dass es sich lohnte, ihm
        zuzuhören. 
        
Wissensdurst
        
        Allerdings gab es betrübend wenig Gelegenheit um seinen
        persönlichen Wissensdurst zu stillen. In der Schule, in
        einem entlegenen Blockhaus, lernte er Lesen, Schreiben und
        etwas Rechnen. Unter den Buschfarmern und kleinen Händlern
        war niemand von besonderer Intelligenz und Bildung. Die
        wenigen Bücher, die es in seinem Umfeld gab, borgte er
        deshalb umso fleißiger. Besonders angetan hatten es ihm die
        Tierfabeln des Äsop, die er mehrmals las. Aus ihnen lernte
        er eine Sache knapp, konkret und zutreffend zu erzählen und
        seine Rede mit Gleichnissen auszuschmücken. Später las er
        auch Robinson Crusoe, ferner eine kurze Geschichte der
        Vereinigten Staaten und eine Biografie Washingtons. Der
        Stadtkonstabler gab ihm Gelegenheit “Die revidierten
        Gesetze und Verordnungen des Staates Indiana” zu
        studieren. Alles, was ihm an Gedrucktem in die Hände fiel,
        verschlang er und erregte bei Verwandten und Freunden
        größtes Erstaunen, wenn er sich nach der schweren Arbeit in
        eine Ecke der Blockhütte zurückzog, um dort neue Kenntnisse
        zu erwerben. Sehr schnell begann er aus den Büchern
        abzuschreiben und kleine Aufsätze zu verfassen.  Eines
        Tages sah er einen Knaben, der einer Schildkröte eine
        glühende Kohle auf den Panzer legte. Darauf schrieb er
        sofort einen Aufsatz über Tierschutz. Stets
        überraschte er seine Schwestern mit seinem neuen
        Wissen.
        Lincoln zeigte bereits in jungen Jahren ein
        außerordentliches Rednertalent.  Bei Geselligkeiten
        wurde er bald durch seine Witze und drolligen Geschichten
        eine leitende Persönlichkeit. Die reisenden Wanderprediger
        konnte er auf humorvolle Weise parodieren. Mit siebzehn
        Jahren maß er bereits “sechs Fuß vier Zoll englisch
        in Strümpfen” und war muskulös und kräftig, aber er
        gebrauchte seine Kräfte niemals, um anderen Schaden oder
        Demütigungen zuzufügen. Jedenfalls war er in dieser
        ländlichen Gesellschaft sehr beliebt.
        Die
        Frage der Sklaverei
        Nach seiner Volljährigkeit verließ er seine Familie und
        fuhr als Schifferknecht nach New Orleans. Dort erlebte er
        eine Sklavenauktion, die er nie mehr vergessen sollte.
        “Das Herz blutete ihm”, wie einer seiner
        Freunde später schrieb: “Er sagte zwar nicht viel; er
        schwieg, aber er sah schlecht aus. Ich weiß bestimmt, dass
        er auf dieser Reise sein Urteil über die
        Sklavereifrage gebildet hat.  Damals im Mai 1831,
        bohrte sich ihm der Stachel dieser Ungerechtigkeit in die
        Seele. Ich habe es ihn oft sagen
        hören.” 
        Später arbeitete er tageweise als Lotse auf dem Mississipi,
        als Commis in einem Laden oder einer Mühle, dazwischen war
        er auch arbeits- und ziellos. Der berühmteste Muskelheld
        und Rowdy des Landstiches nötigte ihn eines Tages sich mit
        ihm zu messen. Lincoln gelang es, seinen Herausforderer in
        dieser “muskelkräftigen” Auseinandersetzung zu
        besiegen. 
        Als Lincoln dreiundzwanzig Jahre war, wurde er zum
        Hauptmann einer freiwilligen Kompagnie von Siedlern im
        Krieg gegen den berühmten Indianerhäupting Black Hawk
        gewählt. Eine alter Indianer verirrte sich ins Lager der
        Siedler-Kompagnie und Lincoln beschützte ihn unter
        Lebensgefahr, denn seine Leute wollten ihn sofort
        töten.
        Politische
        Anfänge
        
        Nach dem Krieg gegen Black Hawk wandte er sich der Politik
        zu. Seine erste Wahl verlor er, weil sich seine
        Beliebtheit noch nicht über das ganze Distrikt verbreitet
        hatte. Später arbeitete er als stellvertretender Feldmesser
        und Postmeister von New Salem, aber auch durch diese
        Tätigkeiten konnten er nicht der Armut entkommen. Er
        strebte weiter nach höheren Zielen. Einmal wanderte er
        meilenweit, um von einem Schullehrer ein Grammatikbuch zu
        borgen, damit er die Regeln der Sprache erlernen konnte.
        Nicht lange danach lieh ihm ein Rechtsanwalt
        Rechtskommentare, und er begann, mit dem ihm eigenen Fleiß
        Gesetzeskunde zu studieren. Bald war er so weit, dass er
        dem örtlichen Friedensrichter als Advokat dienen konnte,
        allerdings zunächst ohne Honorar.
        Nicht lange danach wandte er sich erneut der Politik zu. Im
        Parlament von Illinois, nur von einem Mitglied unterstützt,
        sprach er sich nun mit deutlichen Worten gegen die
        Sklaverei aus, da “die Institution der Sklaverei,
        sowohl auf Ungerechtigkeit, als auf falscher Politik
        beruhe.” Carl Schurz, der ihn noch zu Lebzeiten
        kennen  lernte, schrieb: “Hieraus sprach nicht
        nur die nicht zu unterdrückende Stimme seines Gewissens,
        sondern auch wahrer sittlicher Mut, denn zu jener Zeit
        wurden in vielen Teilen des Westens Sklavereigegner wie dem
        Pferdedieb gleichgeachtet. Selbst “Abe Lincoln”
        wären seine Antisklavereigrundsätze kaum verziehen worden,
        wenn er nicht allgemein als “besonders guter,
        tüchtiger Kerl” bekannt gewesen wäre. „Hier
        aber wagte er es, getreu der großen Überzeugung seines
        Lebens, allein zu stehen, und zeigte jenen Mut, welcher für
        den Führer einer großen Sache ungedingt erforderlich
        ist.”3
        Gerechtigkeitssinn
        
        Auch seine Anwaltspraxis wuchs mit dem Ansehen des
        Politikers. Inzwischen war er von New Salem nach
        Springfield gezogen, wo sich der Regierungssitz befand.
        Damit erreichte er endlich großen Erfolg mit seiner
        Rechtsanwaltskanzlei, weniger durch seine juristischen
        Fähigkeiten, als durch seine Rechtschaffenheit und eine
        angesehene Stellung in der Gesellschaft. Selbst bei
        persönlichen Freunden weigerte er sich, wenn die
        Gerechtigkeit nicht auf ihrer Seite stand, diese zu
        vertreten. Wenn er wusste, dass seine Klienten im Unrecht
        waren, konnte es passieren, dass er die Rechtssache
        niederlegte. Wenn er hingegen die Unschuld verteidigte,
        dann erschloss er oft so unerwartete Quellen der
        Beweisführung, und seine Rede schwang sich zu solcher Glut
        und solcher zwingender Macht auf, dass er die Zuhörer in
        Verwunderung setzte, sie überwältigte und fast
        unwiderstehlich mit sich fortriss. Gebrauchte er auch nur
        alltägliches juristisches Argument, so machte das stets den
        Eindruck, als sei er innerlich von der Rechtmäßigkeit der
        von ihm vertretenen Sache vollkommen überzeugt. Es kann
        deshalb nicht wundernehmen, dass das bloße Auftreten eines
        so gewissenhaften Anwalts nicht nur bei den Geschworenen,
        sondern auch bei den Richtern die Annahme entstehen ließ,
        das Recht müsse auf seiner Seite sein, und alle Leute aus
        aufrichtiger Überzeugung begannen, ihn den “ehrlichen
        Abe Lincoln” zu nennen. Nachdem er einigermaßen zu
        Wohlstand gelangt war, heiratete er Mary Todd aus Kentucky.
        Auch wenn Lincoln bei seinen Landsleuten sehr beliebt war,
        ahnte noch niemand, dass er in der schwersten Stunde der
        Nation ihr Präsident sein sollte. 
        Im
        Kongress
        1846 wurde Lincoln in den Kongress gewählt. Gegen den
        damaligen Präsidenten Polk führte er bald im
        Repräsentantenhaus Anklage, weil dieser einen ungerechten
        Krieg gegen Mexiko geführt habe. Damit erregte er
        landesweites Aufsehen. Mit seinen witzigen Reden gab er dem
        ganzen Haus gelegentlich auch Anlass zu einem
        Amüsement.
        Es begann wieder gegen die Sklaverei Stellung zu nehmen.
        Während der Legislaturperiode legte er einen Gesetzentwurf
        zur Abschaffung der Sklaverei im Distrikt Columbia vor und
        stimmte mehrfach für die Gesetzesklausel, die die
        Sklavenhaltung in den von Mexiko erworbenen Territorien
        verbot. 1849 war seine Laufbahn als Kongress-Abgeordneter
        beendet. Es belastete ihn, dass er nun
        nichts mehr zur endgültigen
        Abschaffung der Sklaverei beitragen konnte. Zunächst aber
        kehrte er wieder nach Springfield zurück und ging wieder
        seinem Anwaltsberuf  nach. 
        Plötzlich stand die Sklavenfrage wieder auf der
        Tagesordnung als durch die
        „Kansas-Nebraska-Bill“ von 1954 der
        Sklavenhaltung in den Territorien der Vereinigten Staaten
        Tür und Tor geöffnet wurde. In den Nordstaaten überwog die
        Stimmung gegen die Sklaverei, dieses führte zur Gründung
        der Republikanischen Partei, welche die Antisklaverei auf
        ihre Fahnen geschrieben hatte. Nun war die Stunde Lincolns
        nicht mehr fern. Er war bald der Wortführer dieser neuen
        Bewegung. Lincoln wurde jetzt anerkannter Führer der
        Whigs-Partei in Illinois, mit deren Stimmen er 1854 in den
        US-Senat kam. Zwei Jahre später wurde Lincoln im 1.
        Nationalkonvent der Republikaner für das Amt des
        Vizepräsidenten vorgeschlagen. 
        Präsidentschaft
        
        Im Jahre 1860 nominierte die Republikanische Partei ihn zum
        Präsidentschaftskandidaten. Die wichtigsten Punkte in
        seinem Wahlprogramm waren die Einschränkung der Sklaverei,
        Reformen im Innern und beim Zoll. Er gewann die Wahl zum
        Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen zwei andere
        Kandidaten. Nach Lincolns Wahl strebten zuerst South
        Carolina und dann sechs weitere Südstaaten ihre Sezession,
        die Ablösung von den Vereinigten Staaten an. Als
        designierter Präsident war Lincoln zu Zugeständnissen
        bereit, keinesfalls aber wollte er die weitere Ausbreitung
        der Sklaverei dulden. Der regierende Präsident Buchanan und
        auch der Kongress konnten keinen Kompromiss in dieser
        verfahrenen Lage finden, und die Abspaltung der Südstaaten
        im Februar 1861 nicht verhindern.
        
        
        
        Abspaltung
        der Südstaaten
         
        
Am 4.
        März 1861 trat Lincoln seine Präsidentschaft an. In seiner
        Antrittsrede sagte Lincoln: „In diesem Konflikt ist
        mehr enthalten als das Schicksal dieser Vereinigten
        Staaten. Es stellt sich für die ganze Menschheit die Frage,
        ob eine auf einer Verfassung beruhende Republik oder eine
        Demokratie – eine Regierung des Volkes durch dieses
        gleiche Volk – ihre territoriale 
        Integrität  gegen ihre Feinde im eigenen Land
        behaupten kann oder nicht. Es stellt sich die Frage, ob
        einzelne Unzufriedene, zu gering an der Zahl, um die
        Regierung auf irgendeine Weise nach organischem Recht zu
        übernehmen, ... nach Belieben ihren Staat zerbrechen und
        damit praktisch der freien Regierung  auf Erden ein
        Ende zu bereiten können“3 und, „dass kein
        Einzelstaat nach seinem Gutdünken, rechtens aus der Union
        ausscheiden kann4“ ... „In Euren
        Händen, meine unzufriedenen Landsleute, und nicht in
        meinen, liegt die folgenschwere Entscheidung über den
        Bürgerkrieg. Die Regierung wird Euch nicht angreifen. Ihr
        werdet keinen Konflikt haben, wenn Ihr nicht selbst
        Angreifer seid. Ihr habt dem Himmel nicht geschworen, den
        Staat zu zerstören, aber ich habe den feierlichsten Eid
        geleistet, ihn zu erhalten, zu beschützen und zu
        verteidigen”5. 
        Im Süden hatte eine kleine Minderheit der Sklavenhalter die
        Macht ergriffen, und diese griffen den Norden bald mit
        Waffengewalt an. Lincolns wollte jede Provokation gegen die
        Südstaaten vermeiden und erwies sich als diplomatischer
        Staatsmann. So schaffte er es, 1861 die radikalen
        Sklaverei-Gegner zunächst zu beruhigen, und dann widerrief
        er die Befreiungspläne der Generäle John C. Frémont und
        David Hunter. 
        Bürgerkrieg
        
        Letztlich aber ließ sich das Ausbrechen des grauenvollen
        Bürgerkrieges, der von 1861 – 1865 dauerte, nicht
        verhindern. Lincoln bot den Grenzstaaten die Freilassung
        der Sklaven gegen Entschädigung an, doch sein Angebot blieb
        ohne positive Reaktion. Später wurde die Befreiung der
        Sklaven in erster Linie eine Kriegsmaßnahme. Die befreiten
        Sklaven konnten dadurch auch rekrutiert werden, obwohl
        Lincoln ursprünglich diese Maßname abgelehnt hatte. Am 22.
        August 1862 schrieb er noch an Horace Greely: „Mein
        oberstes Anliegen in diesem Zwist ist, die Union zu
        erhalten, und ist nicht die Sklaverei zu erhalten oder zu
        zerstören. Wenn ich die Union erhalten könnte, ohne einen
        einzigen Sklaven zu befreien, würde ich es tun; und wenn
        ich es tun könnte, indem ich alle Sklaven befreite, würde
        ich es tun; und wenn ich es tun könnte, indem ich einige
        befreite und andere ließe wie sie sind, so würde ich auch
        das tun.“6 Das war Lincolns ganz klares
        Bekenntnis zur nationalen Einheit.
  
        Nach dem
        Sieg von Antietam am 22.09.1862 verkündete er, dass alle
        Sklaven in den aufständischen Gebieten, also in den
        Südstaaten, “innerhalb von 100 Tagen für immer frei
        sein würden”. 1864 sprach er sich für die Aufnahme
        eines Zusatzes in die US-Verfassung zum Sklaverei-Verbot
        aus. Am 1. Januar 1865 wurde der Zusatz vom Kongress
        verabschiedet. Eine Seeblockade durch US-Schiffe
        verhinderte, dass Frankreich und England Waffen und
        Kriegsmaterial an die Südstaaten liefern konnten. In dem
        furchtbaren Ringen um Gettysburg wurde der
        Südstaatengeneral Lee zum Rückzug
        gezwungen. 
        Gettysburg 
        
        Auf dem Schlachtfeld hielt Lincoln am 19. November 1863 vor
        150 000 Menschen die wohl berühmteste Rede in der
        Geschichte der Vereinigten Staaten: „Vor 87 Jahre
        gründeten unsere Väter einen neuen Staat, aus Freiheit
        geboren und dem Gedanken geweiht, dass alle Menschen gleich
        geschaffen sind. Nun sind wir in einen großen
        Bruderkrieg  verstrickt, der erweisen wird, ob dieser
        Staat auf Dauer bestehen kann. Wir sind auf einem großen
        Schlachtfeld dieses Krieges... mögen wir von diesen
        ehrwürdigen Toten lernen, uns mit noch größerer Hingabe der
        Sache zu verschreiben, für die sie alles gegeben haben;
        mögen wir den hehren Vorsatz fassen, dass diese Toten nicht
        umsonst gestorben sein sollen; möge die Nation mit Gottes
        Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben, auf dass die
        Herrschaft des Volkes durch das Volk und für das Volk nicht
        untergehe auf dieser Erde.“7
        Damit wir dies verstehen können, müssen wir uns in die Zeit
        Mitte des 19. Jahrhunderts zurückversetzen. Die Vereinigten
        Staaten hatten die einzige damals frei gewählte Regierung
        des Volkes; deshalb erinnerte Lincoln daran, dass alle
        Handlungen und Opfer immer auch symbolisch im Sinne der
        ganzen Menschheit gemeint seien. In Europa geschah damals
        meistens nur, was den herrschenden Monarchen gefiel. Hier
        in den USA ging es wirklich um die Entscheidung, ob das
        Unrecht der Sklaverei in der ganzen Menschheit für
        unabsehbare Zeit erhalten bliebe, denn bei einem Sieg der
        Rebellen hätte der globale Einfluss eines
        US-Sklavenhalterstaates das übrige dazu beigetragen. Dessen
        war sich Lincoln vollkommen
        bewusst. 
        Kapitulation
        der Südstaaten
        Die Nordstaaten hatten am Anfang des Sezessions-Krieges
        sehr viele Niederlagen und wenig Siege. Die Südstaatler
        verfügten über ein besseres Offiziercorps. Vielleicht war
        dies auch eine der Ursachen, warum die Südstaaten den Krieg
        in frevelhafter Weise beginnen und an ein besonders
        leichtes Spiel glauben konnten. 1864 ernannte Lincoln
        deswegen den besonders befähigten General Ulysses S. Grant
        zum Oberkommandierenden der Unionstruppen, der letztlich
        die Entscheidung zu Gunsten der Nordstaaten
        herbeiführte. 
        Nach seiner Wiederwahl, in der Antrittsrede zur 2.
        Präsidentschaft am 4. März 1865 sagte Lincoln: „Ein
        Achtel der gesamten Bevölkerung waren Farbige Sklaven, die
        nicht über die ganze Nation verteilt, sondern in deren
        südlichem Teil konzentriert waren. Mit diesen Sklaven
        verband  sich ein besonderes  und mächtiges
        Interesse. Alle wussten, dass dieses Interesse auf
        irgendeine Weise die Ursache des Krieges  bildete.
        Dieses Interesse zu stärken, zu verewigen und auszudehnen,
        war das Ziel, wofür die Aufständischen bereit waren, die
        Union, selbst durch den Krieg, zu zerreißen; während die
        Regierung nur das Recht in Anspruch nahm, seine
        territoriale Ausdehnung zu
        begrenzen. 
        Keiner von beiden erwartete, dass der Krieg den Umfang und
        Dauer annehmen würde, die er bereits jetzt erreicht hat.
        Keiner nahm an, dass die Ursache des Konflikts mit dem Ende
        des Krieges  oder noch vorher aufhören würde zu
        bestehen. Jeder erwartete einen leichteren Triumpf und ein
        weniger grundlegendes und überraschendes Ereignis. Beide
        Seiten lesen die gleiche Bibel und beten zu dem gleichen
        Gott; und jeder erfleht  seine Hilfe gegen den
        anderen. Es scheint seltsam, dass es Menschen gibt, die es
        wagen Gottes Beistand zu erbitten, damit sie ihr Brot aus
        dem Schweiß anderer Menschen herauspressen können; aber
        richtetet nicht, auf dass Ihr nicht gerichtet werdet. Es
        war unmöglich, dass beide mit ihrem Gebet in ihren Gebieten
        erhört wurden und keiner von beiden ist mit seinem Gebet
        ganz erhört worden. Der Allmächtige hat seine eigenen
        Absichten. ... 
        Lasst uns danach streben, das Werk zu vollenden, in dem wir
        begriffen sind; die Wunden der Nation zu verbinden, für den
        zu sorgen, der die Last des Kampfes getragen hat, für seine
        Witwe und sein Waise – alles zu tun, was einen
        gerechten und dauerhaften Frieden unter uns selbst mit
        allen Nationen herbeiführen und erhalten
        kann.“8
        Ein
        plötzliches Ende
        Es war gewiss nicht im Sinne Lincolns die Wiedervereinigung
        mit den Südstaaten durch einen Krieg zu erringen, aber die
        Ereignisse verliefen anders als jeder erwartet hatte. Kurz
        vor dem Ende der Kampfhandlungen fiel Richmond, die
        Hauptstadt der Rebellen. 
        Carl Schurz schrieb: „Am 9. April 1865 unterschrieb
        der Südstaaten-General Lee die Kapitulationsurkunde. ... Im
        Norden  waren die Leute vor Freude fast von Sinnen.
        Überall donnerten Freudenschüsse und erklang festliches
        Glockengeläute, überall drängte sich eine dankerfüllte,
        jubelnde Menge auf die Straßen. 
        Da plötzlich drang durch das ganze Land die Kunde von der
        Ermordung Abraham Lincolns. Das Volk war wie betäubt von
        diesem Schlage. Dann aber erhob sich ein solch Wehgeschrei
        des Schmerzes, wie es Amerika noch nie gehört hatte.
        Tausende von Familien im Norden trauerten, als ob sie ihr
        teuerstes Familienmitglied verloren hätten; und mancher
        Einsichtige im Süden rief schmerzlich bewegt aus, dass mit
        Abraham Lincoln seinem Volke in der bittersten Not und
        Demütigung der beste Freund geraubt worden
        sei. 
        Es war als ob die zärtliche Liebe, die seine Mitbürger für
        ihn hegten, auch in fremden Nationen ähnliche Gefühle
        hervorgerufen hatte. Die ganze zivilisierte Welt stand
        trauernd und erschütternd  an der Bahre des toten
        Präsidenten. Viele, sowohl in der Heimat wie im Auslande,
        die ihn vor kurzem noch lächerlich gemacht und geschmäht
        hatten, waren nun bemüht, ihn hochzupreisen, und in dem
        allgemeinen Chor der Klage und des begeisterten Lobes war
        keine Stimme, die nicht in aufrichtiger, schmerzlicher
        Rührung zitterte. Seid Washingtons Tod war niemals 
        eine solche Einstimmigkeit im Urteil über die
        Tugenden  und die Größe eines Mannes  gewesen und
        sogar Washingtons Tod hatte, trotzdem sein Name mit noch
        größerer Ehrfurcht  genannt wurde, keine so
        teilnehmende Saite im Volksherzen berührt.”
        9 
        
        Die letzten Sätze mögen zwar leicht übertrieben sein, aber
        der Text gibt wohl den Grundtenor der Stimmung
        wieder.  Als die Menschen, Farbige wie Weiße, noch auf
        den Straßen feierten, widmete sich Lincoln bereits harter
        Arbeit, um das verwüstete Land wieder aufzubauen. Der Süden
        sollte und musste sich auch an die Zukunft ohne
        Sklavenarbeit gewöhnen.
        
Mordattentat
        
Nur
        wenige Tage nach der Unterzeichnung der Urkunde zur
        bedingungslosen Kapitulation, am 14. April, hatte Lincoln
        mit seiner Frau und einigen Freunden eine Vorstellung des
        Washingtoner Fordtheater besucht. Lincoln wurde bei seinem
        Erscheinen in der Präsidentenloge von anhaltenden Ovationen
        empfangen. Deswegen entfernte sich sein Leibwächter, ein
        nicht mehr gut zu machender Fehler. Der Attentäter, ein
        fanatischer Schauspieler und Anhänger der
        Südstaaten-Rebellion, konnte sich in die Loge
        einschleichen, wo er den Präsidenten meuchlings
        erschoss. 
        Unvollendetes
        Werk
         
        
Lincoln hatte bereits im März
        1865 einen fertigen Plan für die zivile Reorganisation der
        Angelegenheiten in den Südstaaten, der in Kraft treten
        sollte, sobald der Krieg vorbei war. Die Rechte der Bürger
        sollten sofort garantiert sein, wenn die Streitkräfte der
        Rebellen ihre Waffen niedergelegt hätten und wieder in ihre
        zivilen Berufe zurückkehrten. Seine Generäle Grant und
        Sherman standen voll hinter seiner hochherzigen
        Versöhnungspolitik. Lincoln wurde aber an der Vollendung
        seines großen Werkes durch Mörderhand gehindert. Wären
        diese Pläne Realität geworden, wäre der spätere Rassimus in
        den USA sicher wesentlich milder ausgefallen, wenngleich er
        wohl auch bis heute nicht völlig verschwunden
        wäre. 
        Der Autor Erich Angermann schrieb: „So hat die
        Gesellschaft der Vereinigten Staaten nicht, wie es seinem
        hochgestimmten Nationsverständnis entsprochen hätte, ein
        „‚rebirth
        of freedom under God" erlebt, sondern ein Zeitalter
        des gesellschaftlichen und persönlichen Eigennutzes." Die
        große Seele Abraham Lincoln  war zwar nicht
        gescheitert, aber konnte ihr großes Werk nicht
        fortsetzen.
        Shri Mataji Nirmala Devi resümierte in Ihrem Buch:
        „So wurde also die Vision Abraham Lincolns wie die
        Visionen aller großen Heiligen und Propheten komplett ins
        Gegenteil verkehrt. Die Demokratie ist in unserer modernen,
        geldbesessenen Gesellschaft entartet. Sämtliche zu Beginn
        verkündeten, edlen Grundsätze verschwanden im Nebel
        zänkischer Diskussionen, geführt auf rund um den Erdball
        stattfindenden Konferenzen, mit denen man die Probleme der
        Demokratien lösen will. Die Begründung und Festigung
        höherer ethischer Werte – ursprünglich oberstes Gebot
        einer jeden Demokratie – hat auf der Tagesordnung
        keinen Platz mehr.“ 
        Lincoln hatte einen ausgeprägt starken Gerechtigkeitsinn.
        Auch wenn dieser angeboren war, so hat dieser doch etwas
        mit Spiritualität zu tun, wie auch Shri Mataji Nirmala in
        dem Dokumentarfilm „Freedom and Liberation“,
        den kürzlich das Fernsehen zeigte, aussagte. Sie selbst
        kämpfte gewaltlos gegen das Unrecht an der Seite Mahatma
        Gandhis für Freiheit und Unabhängigkeit Ihres Landes. Das
        ausgeprägte Versöhnungsverhalten, das Lincoln zweifellos
        auch hatte, zeigt den erleuchteten Menschen, auch wenn ihm
        das selber nicht bewusst war. Sein göttlicher Auftrag war
        die Abschaffung der Sklaverei. Seine Präsidentschaft war
        kein Zufall. In der Geschichte der Welt ist es oft
        vorgekommen, dass eine große Seele inkarnierte, um eine
        neue Entwicklung anzustoßen. Sehr oft wurden solche
        Menschen letztlich ermordet. Lincoln wusste nichts von
        Chakras oder gar der Kundalini. Aber dies war für seine
        Aufgabe ohne Bedeutung.
        
D. Storz
        
        
        3 Schurz: 1908. 14
        
        4 Gerhard: 1965, 54
        
        5 Gerhard: 1965, 53
        
        6 Gerhard: 1965, 55
        
        7 nach
        www.uni-paderborn.de/Admin/corona/chris/LincolnANDI.html
        
        (an anderer Stelle abweichend übersetzt)
        
        8 Gerhard: 1965, 64f.
        
        9 Kuczynski: 1985. 166
        
        10 Kuczyinski 1985, 166
        
        11 Das Metamodernes
        Zeitalter 2000, 83
        
        
        Literatur:
        
        Shri Mataji Nirmala Devi: Das Metamoderne Zeitalter.
        Dallgow 2000
        
        Schurz, Carl: Abraham Lincoln - Berlin 1908
        
        Kuczynski, Jürgen: Abraham Lincoln – Berlin 1985
        
        Gerhard, Dietrich: Abraham Lincoln und Sklavenbefreiung
        1965 (Mit Anhang: Briefe, Reden...)
        
        Angermann, Erich: Abraham Lincoln und die Erneuerung der
        nationalen Identität der
        
        Vereinigten Staaten von Nordamerika – München 1984